Hallo zusammen,
Ich verstehe halt nicht, warum immer und immer wieder diese
Grundsatzdiskussion losbricht, als würde man hier einen heiligen Krieg
führen 
Ich kenne Firmen, die mit Microsoft (Office/Teams/Azure/…) arbeiten.
Und es wäre ziemlich falsch zu denken, die seien damit alle zufrieden
und glücklich. So sieht es ja auch mit Produkten wie SAP aus. Man zahlt
sehr, z.T. SEHR, SEHR viel Geld - und das schürt Erwartungen, die dann
eben nicht immer erfüllt werden. Und NATÜRLICH wird es dem ein oder
anderen Unternehmen - gerade, wenn mit sensibleren Daten gehandelt wird
- gelegentlich mulmig, wenn man sich in die Cloud-Zwänge hineingedrängt
fühlt, weil man weiß, dass man mit einer gigantischen IT-Infrastruktur
nicht „mal eben“ wegmigriert.
Das ist schon etwas „schulspezifisches“, dass Schulen über so etwas wie
Microsoft Teams als Corona-Heilmittel jubeln - einfach, weil die
Schulträger und Ministerien sich um alles, was mit der teuren
Digitalisierung zu tun hat, seit jeher drücken - weil sie (vermutlich zu
Recht) die aufgelaufenen Kosten scheuen.
Aber wenn wir Korruption, Dummheit, etc. mal kurz ausklammern, kann man
doch nüchtern konstatieren:
-
es gibt gute, auf den ersten Blick kostenfreie Lösungen auf dem Markt,
mit denen man schnell zum Ziel kommt und zu denen es keine „einfachen“
Alternativen gibt. Das ist aber ja nicht einfach böse. Google hat
seinerzeit auf die richtigen Pferde gesetzt und Dinge geschaffen, die es
so nicht gab. Wer „googelt“ nicht gerne mal (ob nun direkt oder über
einen anonymisierten Zwischendienst)? Und Google hat - fit in
Webtechniken - eine Menge interessanter Dienste, Bibliotheken, etc.
geschaffen und sich dabei ihre Reichweite zu Nutze gemacht.
-
da nun einmal nichts wirklich „kostenfrei“ ist, haben viele dieser
Dienste einen oder mehrere Haken. Sei es, dass sie plötzlich
eingestampft werden, dass man keinerlei Kontrolle über die Daten hat
(womit sie z.T. rechtswidrig werden) oder dass man nie sicher sein kann,
wie sich diese Produkte in Zukunft ausgestalten.
-
viele Firmen haben alles, was in diesem Bereich so passiert ist,
einfach ignoriert. Ob es der Laden in der Innenstadt ist, der auf ein
„weiter so“ gesetzt hat, die Schule, die bei einer Renovierung vor
wenigen Jahren auf LAN-Kabel verzichtet hat oder das „Startup“, dass
versucht, über die billige Kopie eines amerikanischen Dienstes Geld
einzusammeln. Das geht dann halt in die Hose. Und ich finde das
nachvollziehbar.
Wenn Corona kommt und ich habe eine Open-Source-Umgebung aufgebaut, dann
machen wir völlig ohne Bedenken weiter mit BBB/Moodle/etc. Alternativ
könnte ich anfangen, gegen die Erlasslage Whatsapp oder Teams zu nutzen
und begebe mich auf Glatteis oder in die Illegalität. Stecke ich die
Fortbildungsressourcen in Moodle, dann weiß ich, dass ich damit
nachhaltig auch noch in 10 Jahren arbeiten werde, dass das Material MIR
gehört (und ich es idealerweise gerne teile). Nutze ich diese Ressourcen
für irgendein proprietäres Produkt, weiß ich das nie sicher. Das sind
viele gute Gründe - und trotzdem ziehen die, weil wir mit 2-3 Kollegen
dafür eintreten, werben und den Scheiß „machen“. Die Belohnung, so etwas
am Laufen zu sehen, mag „unbezahlbar“ sein. Aber „fair“ ist es dennoch
nicht.
WENN nun aber eine Firma/ein Träger/ein Schulleiter/ein Kollegium sich
dennoch anders entscheidet - dann kann ich im Zweifel bei
offensichtlichen Rechtsverstößen noch remonstrieren - aber ansonsten ist
das halt so. Sich aber hinstellen und das für den Weltuntergang halten,
ist vermutlich nicht hilfreich und auch nicht angebracht. Mit vielen
Produkten kann man ja durchaus arbeiten und wenn z.B. Microsoft
einsichtigerweise eine Version ihrer Dienste mit lokalem Server für
Schulen ohne jede Telemetrie anbieten würde, was dann? Dann kann ich
immer noch sagen: „mit Linux geht so viel mehr“ oder „es ist hilfreich
zum Lernen von ‚Konzepten‘, wenn man Auswahl hat“ oder „ich mache das
nur mit Linux, weil einfach viel effizienter“ oder oder. Aber eben nicht
mehr „Windows ‚geht gar nicht‘“. Das empfände ich auch nicht als die
Aufgabe von Schulen und würde mich zurecht angreifbar machen.
Ich merke aber: die Zeit spielt eher für Open Source. Wenn Gelder
knapper werden, wenn Innovation (als Vorsprung vor anderen) gebraucht
wird, wenn man nicht nur aus Hilflosigkeit, sondern aus
Gestaltungswillen heraus agiert - dann haben „eigene“ Lösungen (ob eine
eigene Cloud, eigene Kompetenz, eigene Infrastruktur) eben in vielen
Situationen echte Vorteile. Und auch, wenn es kleine Schritte sind -
Open Source rückt immer mehr ins Bewusstsein von Entscheidern (wenn sie
nicht längst selbstverständlich ist). Eltenr meckern gegen den MS-Zwang,
niemand würde auf Raspberries (außer aus Neugier) Windows installieren…
Aber eine Entscheidung in diese Richtung kostet halt auch. Das ist keine
„glasklare“ Entscheidung, sondern eine, die man bewusst treffen muss und
will. Aber es wird diese Möglichkeiten immer geben und es wird zunehmend
auch Geld in diesen Bereich fließen. Überlegt doch mal: vor 2
Jahrzehnten ein Artikel, der andeutet, dass Microsoft zu einem
Linux-Kernel wechseln könnte (egal, wie realistisch das ist)?
Und die Zukunft von Linuxmuster? So viele offene
Schulserver-Community-Projekte gibt es nicht. Vielleicht
dokumentieren/programmieren wir verstärkt Schnittstellen zu anderen
Lösungen (die interessieren nämlich Google null). Oder wir
„präsentieren“ ein Gesamtkonzept für eine Schule ohne kritische
Abhängigkeiten (und antwoten immer wieder so laut wie möglich auf die
Frage „Ja, was sollen wir denn sonst nehmen“. Oder entwickeln die Lösung
einfach schulnah weiter (das wird Microsoft vermitlich nie tun). Ob das
ausreicht für eine kritische Masse, wird aber am Ende von vielen
Faktoren abhängen…
Viele Grüße
Thomas
PS: Eine Apothekerin hat mir mal erzählt, was sie so in ihrer Ausbildung
mitbekommen hat, was einige sich „Cocktails“ zusammengemischt haben. Und
ich denke, es wäre Quatsch, zu sagen, dass das Zeug nicht vermutlich die
erwähnte Wirkung entfaltet hat. Und ich würde lügen, wenn der Neugierige
in mir nicht durchaus „probieren“ würde. Mache ich das? Nach dem, was
sie erzählt hat - sicher nicht. Da reichen schon die „mittelfristigen“
Folgen, um es eben nicht zu tun. Nicht, weil die Wirkung nicht
interessant klingt, sondern weil ich langfristig meinen Körper lieber an
anderes vergeude 